Gelebte Multilokalität: Interview 3

EINBLICKE: Stadt-Land-Kind

Da muss ich erst 35 Jahre alt sein, um herauszufinden, dass ich multilokal bin. Also, dass ich in den letzten 15 Jahren oft meinen Koffer gepackt und viel Zeit im Zug verbracht habe, habe ich natürlich schon gemerkt – dass es dafür eine Bezeichnung gibt, habe ich aber erst in diesem Jahr durch das Projekt erfahren.

Aufgewachsen bin ich in OÖ/Innviertel und lebe seit ca. 13 Jahren in Wien. Während dem Studium bin ich der Liebe wegen oft zwischen Wien und Oberösterreich gependelt. Nach dem Studium haben wir dann den Spieß umgedreht und die Liebe ist mir nach Wien gefolgt.

Durch das häufige daheim sein in OÖ, sind die Wurzeln zur Ursprungsheimat gut erhalten geblieben. Und obwohl das ständige unterwegs sein häufig auch kräfteraubend war, so sehe ich heute diese Beziehungen als etwas sehr Wertvolles an, die wir auch nach wie vor gerne pflegen.

Seit etwa 11 Monaten sind wir nun zu dritt. Wir wollen unser Glück auch regelmäßig mit unseren Familien teilen und uns war wichtig, dass unsere Tochter auch einen Bezug zu ihren Großeltern bekommt. Deshalb haben wir uns schon recht früh mit unserer damals 8 Wochen alten Tochter auf Reise begeben und tun dies nun mal in kürzeren, mal in längeren Abständen. Natürlich machten wir uns gerade Beginn oft Gedanken, ob diese Ortswechsel nicht zu stressig für unsere Tochter sein werden. Wir haben aber sehr bald festgestellt, wenn wir Eltern uns dabei wohlfühlen, hat es auch für unsere Tochter immer gut gepasst.

Es ist schön zu beobachten wie sie sich die Welt erobert. Und diese ist auf Grund der Multilokalität sehr bunt. Vom Leben in der Wohnung und am Bauernhof, von der Straßenbahn bis hin zum Traktor, vom Picknick im Park und Omas Gemüsegarten, von der Zeit zu dritt und der Zeit in der Großfamilie. Ein richtiges Stadt-Land-Kind eben!

Natürlich ist nicht immer alles eitel Wonne. Das Vorausplanen wann man wo sein wird, die viele Packerei, wenn unsere Tochter auf den letzten Kilometern An- und Abreise absolut keine Lust mehr auf Reisen hat, wenn wir versuchen beide Familien und Besuche bei Verwandten und Freunden unter einen Hut zu bringen zu wollen und für uns selber nicht wirklich viel Zeit bleibt, dann fragen wir uns schon manchmal warum wir das überhaupt so oft machen. Aber ganz ehrlich – grundsätzlich finden wir es schön, Zeit an zwei uns liebgewonnenen Orten zu verbringen und aus beiden Orten das für uns Schöne schöpfen zu können.

Was ich mir wünschen würde ist, dass Menschen, die sich an nur einen Ort wohlfühlen, auch mal gelegentlich über ihren Tellerrand blicken und merken, dass es auch noch andere Arten zu leben gibt und das auch völlig okay ist.

In diesem Sinne: Ein Hoch auf die Vielfalt der Lebensformen und deren Akzeptanz!

PS: Ein kleiner Tipp für künftige multilokale Familien: Sehr hilfreich war in der ersten Zeit das „Babynest“ unserer Tochter, dass immer und überall mit dabei war. So hatte sie ihr vertrautes Bettchen immer mit und konnte überall glücklich und zufrieden schlafen. Dass machte auch Mama und Papa glücklich J.

Ansprechpartner*in:
Sandra Schwarz & Stefanie Moser

Fotocredit: Schwarzgruber Christine